Psychotherapie

Was ist eigentlich  Psychotherapie?

Zu diesem Thema gibt es schon ganz viele Artikel. Es scheint alles klar zu sein, bis wir selbst betroffen sind.

Die Menschen, die allgemein gerne sprechen und ihre Meinungen wie auch Gefühlszustände leicht den Anderen mitteilen, verstehen die Psychotherapie als ein erleichterndes Gespräch. Sie wissen schon, dass alleine „das Herz ausschütten“ genesend wirkt.

Für diejenigen, die nicht gerne und nicht leicht ihr Inneres öffnen, ist das keine Option… So ein Gespräch ist ihnen peinlich, quälend und in ihrer Vorstellung überhaupt unmöglich. Sie haben wenig Zutrauen, dass der „fremde“ Blick in ihre Innenwelt freundlich, verständnisvoll und unterstützend sein kann. Ihr Misstrauen drücken sie z.B. in solchen Aussagen: „Das ist keine echte Unterstützung, weil sie  gekauft ist. Das alles sind nur psychologische Tricks“.

Gekaufte Zuverlässigkeit

Ja, richtig. Wir Psychotherapeuten werden von unseren Patienten angestellt. Das ist ein Arbeitsverhältnis und  keine Freundschaft, keine Ehe oder keine Verwandschaft. Der Inhalt eines solchen Vertrages ist meistens die innere und zwischenmenschliche Harmonie wiederherzustellen oder neu aufzubauen.

Es geht um Inneres. In das Innere des Anderen können wir nicht einfach eintreten. Gott sei Dank! Und dazu braucht man spezielle Vorgehensweisen, psychotherapeutisches Wissen und Können, dass die nötige Bekannschaft schneller stattfindet. Ja, das ist wie „eine Vorauszahlung“ an Vertrauen und Nähe von beiden Seiten. Die Verpflichtung und die Bereitschaft des Therapeuten ist unbefangen und freundlich dem Patienten gegenüberkommen. Er denkt und fühlt sich in die Problematik des Patienten ein, er stellt sein berufliches Wissen und nicht seine persönliche Meinung in den  Dienst des Patienten.

Oft fragen die Patienten:

Wie lange wird die Therapie dauern?

Um das zu beantworten, spreche ich manchmal über die Renovierung des Hauses:

Wenn sie im eigenen Haus ein Problem haben, das Sie selber nicht lösen können, suchen sie einen Handwerker. Zum Beispiel haben Sie entdeckt, dass auf einer Wand ein feuchter Flecken entstanden ist und immer größer wird. Vielleicht ist ein Rohr nicht mehr dicht? Zuerst benutzen Sie das Bad nicht mehr, aber auf Dauer – was für ein Leben ohne Bad?! Sie bestellen den Handwerker, um  zu renovieren. Sie fragen: „Wie lange wird es dauern? Und was wird das kosten?“ Die Antwort meistens ist: „Je nachdem, was wir finden, wenn wir das Rohr in der Wand erreichen.“ Zuerst Durchbruch, dann Identifizierung des Problems, die Einschätzung des Gesamtzustandes. Bis jetzt noch keine „Besserung“ – nur noch mehr Schmutz, das Bad darf nicht benutzt sein, es werden nur noch die „wunden Punkte“ gefunden… Dann kommt die Verhandlung: Was ist unbedingt zu machen (Minimum), was wäre gut zu machen (Maximum) und für was entscheiden Sie sich?

Wenn Sie ein maximales Ergebnis für minimale Leistungen erzielen möchten, wird Ihnen jeder Handwerker sagen – Das ist unmöglich!

Mein Problem ist größer?

Es kann sein, dass bei Ihrem Bruder oder ihrem Nachbarn ein „ähnliches“ Problem schneller und günstiger gelöst wurde. Jedes Mal geht es um ein konkretes Haus und ein konkretes Problem. Von außen ist oft der echte Zustand  der Wände, des Fundaments, der Leitungen oder des Dachs des Hauses nicht sichtbar. Auch kann der Handwerker, wenn er in das Haus kommt, nicht sofort alles feststellen – er muss tasten, probieren, messen, denken usw. Und der Besitzer soll eigene Wünsche und Kapazitäten einschätzen, ob er nur eine „kosmetische“ oder eine grundsätzliche Renovierung will. Der Handwerker muss seinerseits eigene Möglichkeiten und Kompetenzen einschätzen, nur dann wird das Ergebnis befriedigend sein.

So auch in der Therapie – der Therapeut  hört Ihr Anliegen aufmerksam an, dann stellt er Ihnen Fragen, macht mit Ihnen die Probestunden, um Ihnen ein optimales Therapieangebot zu machen.

Nach der Vereinbarung kommen wir zu der Arbeit.

Wenn Sie „das Haus“, in dem Sie sich schon lange Zeit nicht mehr gut fühlen, renovieren lassen, kommt das Wohlgefühl nicht sofort. Zuerst wird vieles aufgedeckt, werden die „Bausteine“ untersucht, um die für Ihr „Haus“ passenden Stoffe und Konstruktionen zu finden. Dann wird das Neue mühsam „eingebaut“, bis es zum Teil Ihres „Hauses“ wird. Ein Zimmer nach dem anderen.

Warum dauert die Psychotherapie so lange?

Und wenn Sie sich jetzt noch vorstellen, dass es um ein bewohntes Haus geht? Das heißt, es wird nicht leer gemacht und wird nicht 8 Stunden pro Tag renoviert… Der Handwerker darf nicht das Leben im Haus lahmlegen, er soll das Leben im Haus möglichst wenig stören und doch seine Arbeit machen. Ohne Zusammenarbeit ist das gar nicht möglich. Und schon überhaupt nicht, wenn der Wirt des Hauses nötige Zimmer nicht aufmachen will oder erlaubt nicht die Möbel zu bewegen…

Genauer gesagt, im Haus arbeiten zwei „Handwerker“ – der Patient und der Therapeut. Der Therapeut versteht mehr über die Konstruktionen, die Architektur und die Baustoffe, aber er kann nichts wirklich im „Haus“ machen, die ganze Arbeit erfüllt der Patienten mit viel Unterstützung des Therapeuten. Die beiden müssen ihr Bestes geben und dabei auch die Realität im Auge behalten. Auch bei gutem Willen ist nicht jede Veränderung möglich.

Die Therapie darf nicht so viel Durcheinander im Inneren des Menschen machen, wie es erweise sich üblich bei einer Renovierung. Deshalb wird  meistens  nur eine oder zwei Stunden pro Woche gearbeitet.

Der Vergleich zwischen Haus und Menschen hinkt natürlich etwas.

Im Menschen wirken eigene angeborene, heilende Kräfte, welche kein Gegenstand besitzt. Diese Kräfte ermöglichen die Entwicklung und können in der Therapie unglaublich stark wirken.

Und die Innenwelt des Menschen wird nie ganz sichtbar und verständlich sein, weil alles im ständigen Wechsel und im Austausch mit der Welt lebt. Vieles bleibt nur geahnt und vermutet. Auch der Moment des Heilens bleibt geheim und nur im Rückblick erahnt, aber nie im voraus bekannt sein.

 

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